Der interkulturelle Dialog und seine aktuellen Grenzen in Frankfurt durch Zensur und Ausschluss seitens Evangelische Akademie Frankfurt und Haus am Dom

Der interkulturelle Dialog und seine Grenzen in Frankfurt: Zur Lage in Frankfurt nach dem 7.10.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Unterzeichner dieser Mail nehmen sich die Freiheit aus gegebenen Anlässen verschiedene den interreligiösen und interkulturellen Dialog belastende Ereignisse aufzugreifen, die sich in Frankfurt nach dem 7.10. 2023 ergeben haben.

1. Da ist zum ersten der vorläufige Rückzug der Frankfurter Moschee-Gemeinden aus dem Rat der Religionen Frankfurt (RdRF). Dieser Rückzug erfolgte einstimmig. Er wurde von der Stadtöffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil die Beteiligten diesen Vorgang nicht öffentlich kommunizierten. Der Grund für diesen Rückzug war zunächst, dass der muslimische Kandidat als Einziger nicht in den Vorstand des RdRF gewählt wurde.

Des Weiteren wurden die Erklärungen des RdRF zum Krieg im gesegneten Land von der muslimischen Seite u.a. als einseitig empfunden. Dazu übermitteln wir einen Text von Imam Mohammed Johari. An dessen Ende werden die Erklärungen des RdRF dokumentiert. Nach unserem Eindruck ist dieser Vorgang nicht einmal im RdRF allen Mitgliedern bekannt.

2. Mit unserem Text:

Der interkulturelle Dialog und seine aktuellen Grenzen in Frankfurt: Die Evangelische Akademie Frankfurts zensiert die pazifistische jüdisch-palästinensische Gruppe Combatants for Peace

versuchen wir in exemplarischer Weise die Probleme zu beschreiben, die einer gleichberechtigten Teilhabe aller an einem Dialog auf Augenhöhe, der diesen Namen verdient, im Wege stehen. Es geht um einen Vorgang, den wir als klare Zensur begreifen und der eine jüdisch-palästinensische Grupp betrifft, die fast schon idealer Weise durch ihre Arbeit vorwegnimmt, wie ein friedlicher Ausgleich in Israel-Palästina aussehen könnte. Wenn eine Gruppe wie Combatants for Peace von einer kirchlichen Einrichtung zensiert wird ohne den Hauch eines validen Arguments in der Sache, dann sollte man den Anspruch einen wie auch immer gestalteten Dialog in der Stadtgesellschaft befördern zu wollen zu den Akten legen. Dafür fehlt dann jede Voraussetzung.

3. Im Haus am Dom (HaD) gab es einen weiteren, aus unserer Sicht vergleichbaren Vorgang, von dem zwei der Unterzeichner direkt betroffen waren. Anlässlich der Veranstaltung (27.3.) mit Sharon Lifshitz, deren Eltern am 7.10. von der Hamas entführt wurde, schrieb Helmut Suttor einen Brief an die Veranstalter, in dem er darauf hinwies, dass es auch palästinensische Opfer im Gaza-Krieg zu beklagen gibt, die Empathie verdienen. Wenn Empathie weit überwiegend für die eine Seite zu einer Pflicht aus Staatsräson wird, hat dies das Potential die Gesellschaft zu spalten angesichts der ungleich hören Opferzahlen auf palästinensischer Seite. Suttor wurde aus der Veranstaltung ausgeschlossen. Die Verantwortliche des HaD bot ein Gespräch an, was als eine konstruktive Geste zu werten ist. Dabei war zu erfahren, dass der eigentliche Grund für den Ausschluss der dem Brief beigefügt Anhang, also der Text von Mohammed Johari war, weniger der Brief selbst.

Wiederum: Wenn dieser versöhnlich gehaltene Text einen Grund für den Ausschluss aus einer Veranstaltung abgibt, verweist dies auf ganz grundsätzliche Hindernisse für einen Dialog.

All diese Ereignisse haben aus unserer Sicht einen gemeinsamen Nenner: Die palästinensische Konfliktperspektive und Menschenrechtslage werden ausgeblendet, der pro-israelischen Seite wird eine Veto-Position im öffentlichen Diskurs zugebilligt.

Die Bereitschaft der muslimischen Minderheit in Frankfurt diesen Zustand zu akzeptieren, nimmt rapide ab, insbesondere auch angesichts der Bilder aus Gaza, die täglich im Fernsehen zu sehen sind.

Es besteht eine dringende Notwendigkeit über diesen Zustand zu sprechen mit dem Ziel ihn zu überwinden.

Diese Mail geht an verschiedene Institution und Personen. Soweit als möglich richten wir uns auch an Mitglieder von Institutionen und Organisationen direkt. Die hier angesprochene Angelegenheit ist nicht zuletzt auch eine der städtischen Zivilgesellschaft – sie geht nicht nur die einschlägig befassten Funktionsträger an.

Die Unterzeichner – sie unterschreiben als Privatpersonen

ð Mohammed Johari, Imam, Doctor of Islamic Studies und Diplom- Sozialpädagoge. Seit 2004 im interreligiösen Dialog Verantwortung tragend

ð Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost

ð Hasan Alzaanin, Palästinenser aus Gaza, Mitglied der Palästinensischen Gemeinde Frankfurt

ð Helmut Suttor, Rentner, früher Mitglied der inzwischen aufgelösten Bürgerinitiative „Titania-Gruppe