Klarstellungen und Re-Fokussierung in Bezug auf die Gerüchteküche rund um die Stilllegung der Mitgliedschaft der muslimischen Gemeinde im Rat der Religionen

In unserem inter- wie auch überreligiösen Schreiben

„Der interkulturelle Dialog und seine aktuellen Grenzen in Frankfurt: Die Evangelische Akademie Frankfurts zensiert die pazifistische jüdisch-palästinensische Gruppe Combatants for Peace“

haben, wir – nachfolgend genannt – neben vielen Angelegenheiten auch das Ruhen der Mitgliedschaft der muslimischen Gemeinde im Rat der Religionen thematisiert:

  • Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
  • Hasan Alzaanin, Palästinenser aus Gaza, Mitglied der Palästinensischen Gemeinde Frankfurt
  • Helmut Suttor, Rentner, früher Mitglied der inzwischen aufgelösten Bürgerinitiative „Titania-Gruppe
  • Mohammed Johari

Dabei ist es eine unbeabsichtigte Eingrenzung gewesen, im einleitenden Anschreiben die folgende Formulierung zu verwenden:

„Der Grund für diesen Rückzug waren Erklärungen des RdR zum Überfall und Massaker der Hamas am 7.10., die von der muslimischen Seite als einseitig empfunden wurden.“

Dieses Versehen hat einzig und allein der Unterzeichner dieses Schreibens – Mohammed Johari – zu verantworten.

Im eigentlichen neunseitigen Schreiben wurde auch ohnehin differenzierter dargestellt:  

„Die Unausgewogenheit christlicher Institutionen und ihrer VertreterInnen ist muslimischen Gemeindevertretern schon im Oktober letzten Jahres aufgefallen. Dies hat zu einer Zäsur geführt und den institutionellen interreligiösen Dialog belastet. Frankfurts Muslime ließen in der Folge ihre Mitgliedschaft im Rat der Religionen (RdR) seit November 2023 ruhen. Der Beschluss fiel bei unterschiedlicher Begründung einstimmig.“ [Auch im Original fett gedruckt]


Auf diesen Absatz bezogen wurde ich von den Durchführenden der betreffenden Wahl Ende April 2024 darauf aufmerksam gemacht, dass lediglich die Ereignisse, die dazu geführt haben, dass die muslimische Gemeinde die einzige ist, die seit den Wahlen im Mai 2023 keine VertreterInnen in den Vorstand des Rates der Religionen gewählt bekommen hat, sowie weitere diesbezügliche bedauerliche Vorgänge bis zum September 2023 die Grundlage der Abstimmung bildeten.
Den Wahlverantwortlichen nach sind dementsprechend die verschiedenen Eindrücke in Bezug auf die Positionierungen der christlichen Institutionen sowie des Rates der Religionen bezüglich des Krieges im gesegneten Land separat zu handhaben.

Tatsache bleibt jedoch, dass die Stilllegung der Mitgliedschaft formell erst nach den Stellungnahmen und Handlungen von VertreterInnen beider Kirchen wie auch des Rates der Religionen erfolgt ist und diese dabei auch vor der Abstimmung thematisiert wurden. Zusammen mit anderen Thematiken und abwägungswürdigen Angelegenheiten.

Bei dem einstimmig beschlossenen Entschluss, die Mitgliedschaft im Rat der Religionen stillzulegen, wurde formell von den Anwesenden nicht verlangt, dabei ihre jeweiligen Gründe zu nennen oder gar prozentual zu gewichten. Dafür gab es auch keinen Bedarf, es wurde schlichtweg nach dem Austausch abgestimmt.  

Insofern möchte ich Dialogverantwortlichen innerhalb ihrer Bemühungen, den hiesigen institutionellen und interreligiösen Dialog zu verbessern, nahelegen, die Debatte um die Positionierungen der Kirchen und des Rates der Religionen bzw. ihrer VertreterInnen in Bezug auf den Krieg im gesegneten Land, nicht auszublenden.

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Was dazu geführt hat, dass trotz der statistischen Größe der MuslimInnen Frankfurts (KatholikInnen machen 19%, MuslimInnen 18% und Protestanten 15% der Stadtbevölkerung aus) wie auch die enorme Wichtigkeit ihrer Vorstandsmitgliedschaft im Rat der Religionen aufgrund gegebener gesellschaftlicher Umstände – dazu zählen institutioneller wie auch gesamtgesellschaftliche antimuslimischer Rassismus -, in der Vorstandswahl nicht das Vertrauen ausgesprochen bekommen haben, ist bisher (meines Wissens nach) nicht öffentlich kommuniziert worden.
Ebenfalls nicht, wie es von der muslimischen Seite aus wahrgenommen wurde und wie wiederum das Feedback der muslimischen Seite verarbeitet worden ist.
Möglicherweise sind die verschiedenen Dialogbemühungen seitens der Muslime wie auch ihrer DialogpartnerInnen auch besser im nicht-öffentlichen und teilweise außeninstitutionellen Rahmen angesiedelt.

Gleichzeitig erlaubt der Umstand der Dialoganstrengungen hinter den Kulissen, dass einigen Akteuren Untätigkeit, Schweigen und unbegründeten Beziehungsabbruch vorgeworfen wird. (Andere) Unwahre Behauptungen und einseitige Perspektiven vermögen ebenfalls unter diesen Umständen zu florieren.

Eine schwierige Abwägung, die die Verantwortlichen hier treffen. Darum sind sie nicht zu beneiden.

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An dieser Stelle nehme ich mir die Freiheit, die Gerüchteküche zu kommentieren.

Als falsch weise ich zurück, dass einzelne muslimische Verantwortungsträger in eine innere Kündigung im Mai 2023 oder davor verfallen sind – doch mögen diese für sich selbst sprechen.
Auch für den Fall eines Rückzugs von Einzelpersonen hätte dies niemals bedeutet, dass sich die muslimischen Gemeinden aus dem Rat der Religionen zurückziehen. Vielmehr wären einfach andere VertreterInnen gewählt worden und man hätte gegebenenfalls nach erfolgter Abstimmung jenseits einer Vorstandsmitwirkung partizipiert.
Die muslimische Gemeinde ist meiner Kenntnis nach übrigens auch diejenige, die am demokratischsten ihre Abgesandte für den Rat der Religionen wählt.

Bezüglich eines mysteriösen Artikels merke ich an:

  1. Einleitend sei festgestellt: Kein Autor/Autorin zeigte sich für einen Artikel verantwortlich, in dem institutionell verantwortungstragende Dialogführende in einem negativen Licht dastanden.
    Mehr als eine Woche war dieser im Internet abrufbar, erst kürzlich war er vom Netz genommenen worden.
  2. Warum hat der Artikel nicht darüber informiert, dass auch Hasan Alzaanin (Mitglied der Palästinensischen Gemeinde Frankfurt), Wieland Hoban (Vorsitzender der Jüdische Stimme) und Helmut Suttor zusammen mit mir das „jüngst verbreitete Schreiben“, unterzeichnet und verbreitet haben?
  3. Nicht ohne Absicht habe ich den – nun offenen – Brief – Der interkulturelle Dialog und seine aktuellen Grenzen in Frankfurt wie folgt unterschrieben:

„Mohammed Johari, Imam, Doctor of Islamic Studies und Diplom- Sozialpädagoge. Seit 2004 im interreligiösen Dialog verantwortungstragend“

Warum sind meine zwei Jahrzehnte an meist ehrenamtlicher Arbeit und Eingebundenheit in die Thematik unterschlagen worden?
Warum wurde nun im besagten Artikel aufgeführt, dass ich auch als Imam in einer bestimmten Gemeinde in Frankfurt tätig bin? Hierfür wurde zusätzlich recherchiert.
Bei dieser Nachforschung sind jedoch viele andere Affiliationen, Qualifikationen und Tätigkeiten ausgespart geblieben. Mein hier dokumentiertes Engagement wird jedenfalls nicht von meiner Gemeinde verantwortet. Darauf werden Leserinnen des Schreibens auch deutlich aufmerksam gemacht:

„Die Unterzeichner – sie unterschreiben als Privatpersonen.“

  • Unser begrenzt und hinter den Kulissen vorgetragenes Anliegen wurde zu einer presse-öffentlichen Angelegenheit gemacht.

Es bleibt allen Beteiligten also nichts anderes, als diesen Rahmen ressourcenorientiert handzuhaben. Dazu zählt m.E. nach auch, inhaltlich presse-öffentlich für Klarstellungen zu sorgen, um der anhaltenden Gerüchteküche Einhalt zu gebieten und die Geschädigten zu rehabilitieren. Zu Letzteren sollten (sich) auch diejenigen zählen, denen Worte in den Mund gelegt wurden. Aus dem Netz ist eben nicht aus der Welt!

Wie nun das inter- wie auch überreligiöse Miteinander in unserer Stadt zunächst stabilisiert und verbessert werden kann, werde ich mit Dialogführenden und RepräsentantInnen in den nächsten Tagen und Wochen besprechen. Im nicht presse-öffentlichen Rahmen.

Die Termine stehen und werden zumindest von meiner Seite aus nicht gecancelt.
Mit Brücken-bauenden und dialogischen Grüßen

Frankfurt, April/Mai 2024

Mohammed Johari
Imam, Doctor of Islamic Studies und Diplom- Sozialpädagoge.
Seit 2004 im interreligiösen Dialog verantwortungstragend