Islamfeindliche Berichterstattung führt zur Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft. Dazu einige Umfragewerte aus dem Jahre 2012: Jeder zweite Deutsche, nämlich 51% der Befragten, sieht den Islam eher als Bedrohung an. In Ostdeutschland, wo kaum Muslime leben, sind sogar 57% dieser Auffassung. Die Hälfte aller Deutschen lehnen die Aussage ab, dass der Islam in die westliche Welt passe. „Das allgemeine Image des Islam ist verheerend. (…) 83% meinten (…), der Islam sei von der Benachteiligung der Frau geprägt, (…) 70% assoziierten mit dem muslimischen Glauben Fanatismus und Radikalität. Deutliche Mehrheiten der Bevölkerung attestierten dem Islam darüber hinaus unter anderem Gewaltbereitschaft (64%), die Neigung zu Rache und Vergeltung (60%) (…)“
Innerhalb der Jahre 2001 bis einschließlich 2013 gab es 302 Übergriffe auf Moscheen. Beängstigend ist weiterhin, dass die Tendenz steigt. Waren es noch für die Jahre2001 bis einschließlich 2011 durchschnittlich 22 Übergriffe, so haben im Jahr 2012 ganze 35 und im Jahr 2013 sogar 36 Übergriffe stattgefunden.[1]
[1] Tänzler, Jade-Yasmin: Verängstigte Muslime, 20.08.2014, in: http://mediathek.rbb-online.de/rbb-fernsehen/abendschau/veraengstigte-muslime?documentId=23046650 (zuletzt abgerufen am 25.08.2014)
Rassismus und Islamfeindlichkeit sind indes kein Randproblem bildungsferner Schichten, sondern gerade auch unter angehenden Akademikern stark verbreitet. Osnabrücker Studierende haben beispielsweise im Juli 2013 zu 80 % islamfeindlichen Aussagen zugestimmt. Islamfeindlichkeit im Allgemeinen und islamfeindliche Berichterstattung im Speziellen haben zur Konsequenz, dass Muslime sich entweder
- zurückziehen – und sich dadurch den Parallelgesellschaftsvorwurf einhandeln-, oder
- offen gegen die Gesellschaft auflehnen – was wiederum islamfeindliche Berichterstattung zu rechtfertigen scheint.
Die einzig produktive und für den gesellschaftlichen Frieden förderliche Position ist, dass Muslime sich organisieren und aufklären, Dialog führen und in der Gesellschaft und als Teil der Gesellschaft mit gleichgesinnten Organisationen und Individuen für ein besseres Miteinander zusammenarbeiten. Wenn nun aber ausgerechnet diejenigen muslimischen Institutionen, welche diesen Weg gehen, Denunziationen ausgesetzt sind, stärkt das einerseits die Haltung der ersten beiden genannten Gruppen unter Muslimen. Andererseits werden andere Institutionen der Zivilgesellschaft verunsichert, mit eben den muslimischen Organisationen zusammenzuarbeiten, welche sich der Bildungs- und Dialog-, und Sozialarbeit widmen. Die folgende Abhandlung möchte dem entgegenwirken. Muslimische Gemeinden haben bisher erlebt bzw. damit gelebt,
- größtenteils in den Medien in Bezug auf Themen, welche mit positiven Assoziationen verbunden sind, ignoriert und abgewiesen zu werden. Anderweitiges stellt leider nur eine Ausnahme dar.
- dass wenn Muslime schon mit Aufmerksamkeit bedacht werden, sie meistens nur Mainstream- Vorurteile als Themen zur Wahl gestellt bekommen. Auf Augenhöhe gemeinsam Themen zu finden, ist ihnen in der Regel nicht gewährt.Auch empfinden es viele muslimische Gemeinden als Hamsterrad-Rennerei, sich an journalistischem Wiederkäuen zu beteiligen, welches allein der Themen und Titel wegen abzulehnen ist. Welche Organisation würde sich freuen, wenn ständig Distanzierungen gefordert werden? Und Schlagzeilen-Logik wie „Wir sind nicht schlecht, gemein etc.“ als Ergebnis herauskommt? Diesem Framing wollen muslimische Gemeinden entgegenwirken. Framing ist übrigens ein Begriff, den u.a. Dr. Sabine Schiffer in Bezug auf die Berichterstattung rund um Muslime und Islam verwendet. Dazu sei folgende Lektüre empfohlen: „Das Gewalt- und Konfliktbild des Islams bei ARD und ZDF. Eine Untersuchung öffentlich-rechtlicher Magazin- und Talksendungen“, von Dr. Kai Hafez und Carola Richter. Wem das nicht verständlich ist: Stellen Sie sich vor, das Ihr Portraitfoto auf Plakaten deutschlandweit verbreitet wird, mit der Überschrift „Kein Kinderschänder, kein Steuerhinterzieher“ – freuen Sie sich, dass die Plakate sie freisprechen?! Wenn Ja, ist weiterlesen nicht nötig – und ich frage mich, Sie es überhaupt bis hierhin geschafft haben. (Ein Prise bissigen Humors sei auch mir an dieser Stelle gegönnt).
- dass Medien Islamfeindlichkeit in den Medien selten selbstkritisch aufarbeiten
- als angegriffene Organisation noch nicht einmal im Bericht zu Wort kommen zu dürfen
- dass angreifende Quellen nicht kritisch hinterfragt werden
- im Rahmen von schriftlichen oder telefonischen Anfragen fundierte Auskünfte zu geben, welche dann einfach nicht verwertet werden.
Dazu kann ich aus meiner Erfahrung u.a. die Anfrage eines öffentlich- rechtlichen bundesweit bekannten Fernsehsenders zur Beschneidungsfrage aufführen. Beispielhaft nun Auszüge aus meiner Kritik nach Ausstrahlung der betreffenden Sendung:
„Leider spart der Bericht aus, dass bei einem Großteil der Muslime die Beschneidung wenige Tage bzw. Wochen nach der Geburt oder vor Ablauf des ersten Lebensjahres vorgenommen wird. Dies weil die Beschneidung an sich das Ritual darstellt und ansonsten keine religiösen Riten damit verbunden sind. Somit wird die Assoziation nahegelegt, der Islam fordere eine Beschneidung in einem Alter, in welchen dies für die Jungen mit Angst- und Schmerzerfahrungen verbunden ist, obwohl dies nur kulturelle Praktiken einzelner Bevölkerungsgruppen sind, wie bereits in meiner Antwort vom 5.7. deutlich wurde. Übrigens: Nicht nur „die Muslime auf der einen Seite die…. und die Ärzte auf der anderen, die freie Entscheidung der Jungen fordern…“ sondern: Auch die Juden mit den Muslimen auf der einen Seite! Warum das ausgespart wurde, ist mir unergründlich. Auch als ausgespart sehe ich die Frage nach der Taufe, bei der auch kein Kleinkind gefragt wird. Die vielfachen medizinischen Vorteile, die mit einer Beschneidung einhergehen, sind gleichermaßen auch nicht thematisiert worden. Ich bedauere, dass sie eine theologische Stellungnahme seitens muslimischer Vertreter wie auch die anderen erwähnten Hintergründe und Informationen nicht einarbeiten konnten. Denn somit verfestigt sich ein negatives Bild vom Islam. „Islam gegen freie Entscheidung und pro Schmerzen“ sollte gerade nicht die Botschaft eines Beitrages sein, der aufklären möchte. Wir wünschen Ihnen weiterhin für Ihre Arbeit alles Gute und stehen auch in Zukunft für Anliegen zur Verfügung.“
Im März 2014 durfte ich gut 15 Minuten einer anfragenden Journalistin, welche für einen öffentlich- rechtlichen Fernsehsender arbeitet, drei Aussagen dezidiert erklären:
- Der Islam kennt keinerlei Ehrenmorde und auch keine Selbstjustiz. Anderweitiges ist eine künstliche Konstruktion.
- Diese Konstruktion wird nicht bei Morden aus Eifersucht bei der autochthonen deutschen Bevölkerung gebildet.
- Ehrenmorde sind ein kulturelles und religionsunabhängiges Phänomen – dies wird durch Vergleichsgruppen deutlich.
Auch hier hat man sich dagegen entschieden, uns mit diesen Standpunkten in den Bericht mit aufzunehmen…. Leider kommen zu den „Distanzierungseinladungen“ und dem einfachen Ignorieren auch noch Diffamierungen hinzu, welche sich auf Ämter des Verfassungsschutzes als Quelle berufen. Regelmäßig wird von der Presse allerdings die Gelegenheit versäumt, diese Quelle kritisch zu beleuchten. Für unser Thema relevante Anlässe gibt es hierzu genug, wie im zweiten Teil des Artikels ersichtlich wird. Fortsetzung folgt.